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Ziel des neuen Gesetztes muss dabei das Recht auf Selbstbestimmung von TIN Menschen sein, wie es der Name Selbstbestimmungsgesetz verspricht. Weiter muss es einen Diskriminierungsschutz darstellen. So darf es zum Beispiel keine diskriminierende Rhetorik (§12: Rückfall auf die binären Geschlechterkategorien, greift zuvor aufgemachte Spektrum der Geschlechtsidentitäten an) und Einstellungen (§6(2)) fortsetzen, die wir im aktuellen Entwurf vorfinden. Generell beinhaltet der Gesetzesentwurf an vielen Punkten Andeutungen auf mögliche Zweifel der Betroffenen. Die Erfahrungen aus anderen Ländern mit bereits eingeführten Varianten eines Sebstbestimmungsggesetzes zeigen, dass dies unbegründet ist und Namens- und Personenstandsänderungen nur selten rückgängig gemacht werden. Von einem Selbstbestimmungsgesetz erwarten wir mehr empowernde Maßnahmen, speziell für junge Menschen, die sie in ihrer tatsächlichen Selbstbestimmung, wie es der Gesetzesname verspricht, bestärkt.

Wir freuen uns sehr darüber, dass auf die Stimmen aus der Community gehört wurde und für Minderjährigen ab dem Alter von 14 Jahren eine Selbstabgabe der Erklärung zur Änderung vorgesehen ist. Die im Entwurf folgenden Einschränkungen dieses Rechtes, dass sie die Zustimmung der Sorgeberechtigten benötigen, sehen wir allerdings als schädlich für die Autonomie junger Menschen, die damit weiterhin abhängig von ihren Sorgeberechtigten sind. Dies widerspricht dem Ziel der Selbstbestimmung. Für jugendliche TIN Personen ermöglicht eine frühzeitige selbstbestimmte Änderung von Vornamen und Personenstand eine massive Entlastung im Alltag, auch weil sie dadurch in diesem Altersabschnitt typischerweise erworbene Dokumente nicht nachträglich ändern lassen müssen.

Im §5 des Gesetzes zur religiösen Kindererziehung wird Minderjährigen ab 14 Jahren eine selbstständige Entscheidung (ohne Einverständnis der gesetzlichen Vertreter*innen) über ihre Religionszugehörigkeit zugetraut. Dieses Zutrauen sollte genauso für die Namens- und Personenstandsänderung für TIN Menschen gelten, welche sich der Reichweite ihrer Entscheidung auch im Alter von 14 Jahren bewusst sind, und demnach keine weiteren Hürden über Sorgeberechtigte, oder alternativ Familiengerichte, bedarf. Die Einbeziehung eines Familiengerichts und die damit verbundene Feststellung der geistigen Reife wiederholt die richterliche Begutachtung Betroffener, die mit dem SBGG abgeschafft werden soll. Auch der Einbezug eines Sachverständigengutachtens erinnert stark an die diskriminierende Praxis des TSG. Überhaupt stellt das Kontaktieren eines Familiengerichts eine unrealistische Hürde für Minderjährige dar.

Aus unserer Sicht ist die nun neu eingeführte Frist der Wirksamkeit auf 3 Monate unschlüssig und überflüssig. TIN Menschen warten seit Jahrzehnten in Deutschland auf eine selbstbestimmte Möglichkeit ihren Vornamen und Personenstand ändern zu können. Warum es eine Bedenkzeit von 3 Monaten bedarf ist uns unverständlich, wenn auch eine Änderung des Nachnamens durch Heirat sofort wirksam wird. Hiermit werden TIN Personen weiter bevormundet und es wird angenommen ihnen sei die Tragweite einer Vornamens- und Personenstandsänderung nicht bewusst. Wir plädieren für eine sofortige Wirksamkeit der beantragten Änderungen - auch um keine Verschlechterung der aktuellen Regelungen für den Geschlechtseintrag divers zu kreieren.

Wir begrüßen dagegen das in Artikel 2 ermöglichte Abweichen zwischen Eintragungen in Pass und Register für Menschen, die eine alternativlose Streichung des Geschlechtseintrags oder den Eintrag divers wünschen. Dies ist wichtig um ihnen weiter eine Reisefreiheit zu ermöglichen und sie dabei vor Diskriminierung zu schützen.

Die Aufnahme, beziehungsweise die Erwähnung, des Hausrechts in §6 (2) des Gesetzes ist unnötig und ängsteschürend, insbesondere da das SBGG den Status Quo dessen unberührt lässt. Das Selbstbestimmungsgesetz soll für TIN Menschen sein, stattdessen ist es an einigen Punkten in einer Gegen-Haltung formuliert. Statt auf die Inklusion von TIN Menschen zu zielen, wird das Narrativ lauter werdender feindlicher Stimmen aufgegriffen und TIN Personen als Gefährdung dargestellt, statt als die zu schützende Gruppe. Es muss sichergestellt werden, dass das geltende Hausrecht nicht gegen TIN Menschen missbraucht wird, stattdessen sollten sich Orte für TIN Menschen öffnen und deren Teilhabe ermöglichen.

Teilhabe ist besonders im Bereich Sport ein unzureichend geregeltes Feld. Für Kinder und Jugendliche ist der Zugang zu Sport- und Vereinsleben relevant in der altersgerechten gesellschaftlichen Partizipation und gemeinsamen Freizeitgestaltung mit Gleichaltrigen. Hier muss ein diskriminierungsfreier Raum garantiert und einem diskriminierenden Ausschluss aktiv begegnet werden. Das Auslassen der Bestimmungen für den Bereich Sport schützt TIN Personen unzureichend und schließt sie demnach von diesem Lebensbereich potentiell aus. Speziell wenn es um den Breitensport (und Schulsport) geht, sollte eine Selbstbestimmung und ein Ermöglichen von Teilhabe, Vorrang vor einer genauen Leistungsbewertung haben.

Weiter bleibt uns unklar, warum das Offenbarungsverbot so viele Ausnahmen vorsieht: Dies schützt zum Beispiel Kinder unzureichend gegenüber geradlinig Verwandten wie Eltern. Genauso ist uns unverständlich warum „Mutter“ bzw. „Vater“ in der Geburtsurkunde der Kinder nur durch „Elternteil“ ersetzen werden kann und nicht durch „Vater“ bzw. „Mutter“? Das kommt einem Zwangsouting gleich. Dies könnte auch zur Benachteiligung der Kinder von TIN Eltern führen.

Im weiteren Referentenentwurf heißt es außerdem: „Die Bundesregierung beabsichtigt in diesem Zusammenhang, die Beratungsangebote insbesondere für minderjährige Personen auszubauen und zu stärken.“ Hierfür müssen die vorhandenen Community-geführten Beratungsangebote weiter ausgebaut, beworben und sichtbar werden. Dies ist nur durch einen deutlichen Ausbau der finanziellen Zuwendung von Bund und Ländern möglich. Die gegebenen Erklärungen im Anhang des Entwurfes sind uns nicht detailliert genug ausgearbeitet, die Art und Umsetzung der Beratungs- und Unterstützungsangebote sollte konkretisiert werden. Dabei ist eine, innerhalb von Communitystrukturen stattfindende professionelle Beratung zentral um eine sensible, erfahrene und diskriminierungsarme Unterstützung der Ratsuchenden zu gewährleisten. Dies ist besonders für die vulnerable Gruppe von Minderjährigen und jungen Erwachsenen zentral. Eine umfassende Schulung communityferner Beratungsangebote muss ebenfalls gesichert sein.

Der Gesetzesentwurf besagt in §1: „Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt.“ Zwar befürworten wir die Trennung des Rechtes auf Vornamens- und Personenstandsänderungen von den Regelungen zum Zugang zu medizinischen Maßnahmen, dennoch ist für TIN Personen, die medizinische Maßnahmen wünschen, eine zeitnahe Neuregelung des Zugangs nötig. Andernfalls bleibt die Pathologisierung, die das Gesetz bekämpfen soll, in deren Lebensrealität bestehen. Der Zugang zu medizinischen Maßnahmen muss weniger von zwangspsychologischen Gutachten abhängig sein und einheitlich empowernd geregelt werden. Dies fordern wir neben dem SBGG.

Zusätzlich kommt bei uns die Frage auf, was aus den Entschädigungszahlungen für Menschen die Zwangssterilisiert wurde. Werden diese anderweitig geregelt?

Wir bedanken uns für die Möglichkeit der Beteiligung und hoffen auf eine Berücksichtigung unserer Kritikpunkte und den damit verbundenen Forderungen.

 

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